Gastkommentar von Magister Othmar Karas, MdEP

Investitionen legen den Grundstein für Innovation, technologischen Fortschritt, die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes sowie für die Zukunft einer Gesellschaft. Nach Ausbruch der Finanzkrise sah sich Europa mit einem historisch niedrigen Investitionsniveau konfrontiert. Um bis zu 430 Milliarden Euro sind die jährlichen Investitionen in der EU seit 2007 eingebrochen. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt, dass die vielfältigen Maßnahmen, die seither auf europäischer und nationaler Ebene ergriffen wurden, Früchte tragen. Seit vier Jahren erfährt das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Währungsgebiet ein konstantes Wachstum von durchschnittlich über 1,6 Prozent. Bei der noch immer zu hohen Arbeitslosigkeit zeigt die Tendenz insgesamt nach unten und die Investitions- und Konsumstimmung verbessert sich.

Trotz dieser positiven Entwicklungen sehen wir an einer bestehenden Investitionslücke von geschätzt 200 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr, dass wir noch nicht am Ziel sind. Hinzu kommen neue Herausforderungen durch den digitalen Wandel und unsere globalisierte Welt. Es braucht daher nicht nur ein konsequentes Umsetzen bereits beschlossener Maßnahmen, eine Konsolidierung der Haushalte sowie strukturelle Reformen, sondern auch innovative Ideen für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und ein besseres Unternehmensumfeld.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich das Projekt zur Schaffung einer Europäischen Kapitalmarktunion. Mir war es von Beginn an ein Anliegen, dass wir diese zentrale Säule der Investitionsoffensive für Europa als Finanzierungsunion der Realwirtschaft gestalten, die die Kapitalzufuhr nicht nur erleichtert, sondern auch erweitert. Knapp 20 Monate nach dem Startschuss wurden zwei Drittel der 33 geplanten Maßnahmen umgesetzt. Darunter die vor Kurzem erreichte politische Einigung über das Verbriefungspaket, welches ich in einer Doppelfunktion als Berichterstatter für das Europäische Parlament sowie als Verhandler für meine Fraktion mitgestalten durfte. Der neue EU-Rahmen für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen soll sicherstellen, dass über freigemachte Kapazitäten in den Bankbilanzen zusätzliche Finanzierungsmittel für private Haushalte und schnell wachsende Unternehmen mobilisiert werden können.

Investitionen anzustoßen ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Daher freue ich mich, dass der Europäische Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) nun verlängert, aufgestockt und verbessert wird. Dieser Investitionsmotor für Europa, der in knapp zwei Jahren bereits private und öffentliche Investitionen in der Höhe von 194 Milliarden Euro in allen Mitgliedstaaten angestoßen und so über 425.000 KMU unterstützt hat, soll noch schlagkräftiger werden und mindestens bis zum Jahre 2020 weiterlaufen. Wie schon bei der Gründung des Fonds darf ich im Gesetzgebungsprozess – bei dem wir uns derzeit im Endspurt der Verhandlungen zwischen Parlament und den Mitgliedstaaten befinden – erneut die Rolle des wirtschaftspolitischen Verhandlungsführers für die Europäische Volkspartei übernehmen.

Der EFSI kann Investitionen über die Vergabe der EU-Garantie zwar anschieben, aber damit der Schwung auch weitergeht, sind starke Partner in der Realwirtschaft unerlässlich. Damit diese ihr volles Potenzial erschließen können, braucht es adäquate Rahmenbedingungen sowie einen effektiven Abbau unnötiger regulatorischer Barrieren, Hürden und Ineffizienzen. Hier gilt es, die Vielfalt der europäischen KMU-Landschaft – mit ihren verschiedenen Geschäftsmodellen, Größen, Finanzstrukturen und Rechtsformen – zu berücksichtigen. Denn diese sorgt für unterschiedliche Bedürfnisse bei der Banken- und Kapitalmarktfinanzierung. Dabei spielen Finanzierungsformen wie Leasing und Factoring insbesondere für den Mittelstand eine wichtige Rolle. Dass europaweit rund 40 Prozent und in Deutschland etwa 70 Prozent der KMU regelmäßig Leasing nutzen, zeigt, dass diese Finanzinstrumente an der Förderung der europäischen Innovations- und Investitionskraft maßgeblich beteiligt sind.

Dieser Diversität muss auch bei der laufenden Überarbeitung der Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften für europäische Kreditinstitute (CRDIV/CRR) Rechnung getragen werden. Gerade in einer Zeit, in der Europa Wachstum benötigt, ist ein Gesetz, das die Kosten von Krediten wesentlich beeinflusst, ein zentraler Schlüssel zur Stimulierung von Wachstum und Beschäftigung. Obgleich die Mittelständler die Finanzkrise nicht verursacht haben, leiden sie viel stärker unter verringerten Finanzierungsmöglichkeiten als multinationale Konzerne. Als Verhandlungsführer der Europäischen Volkspartei werde ich mich daher für proportionale Regeln einsetzen, damit die Kreditvergabe für die Realwirtschaft nicht auf der Strecke bleibt.

In all diesen Fragen freue ich mich, auf den guten Dialog mit dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen bauen zu können. Mit ihren über 160 Mitgliedsgesellschaften sind sie nicht nur der größte Investor in Deutschland, sondern haben auch die Chancen, die Europa für sie bereithält, frühzeitig erkannt!