Der Kunde im Mittelpunkt
Rund 100 Vertreter von Leasing-Gesellschaften und Refinanzierungspartnern trafen sich zur 8. Fachtagung Leasing und Kreditwirtschaft am 22. Juni 2017 in Berlin, um sich über aktuelle Branchenthemen zu informieren. Unter dem Leitthema „Der Kunde im Mittelpunkt“ diskutierten Leasing-Unternehmer, Kunden, Politik und Refinanzierungspartner über Regulierung, Digitalisierung und innovative Refinanzierungswege.
BDL-Präsident Kai Ostermann eröffnete die Tagung und gab zunächst eine kurze Marktübersicht. Dabei kritisierte er, dass trotz Rekordergebnisse beim Leasing-Neugeschäft die Investitionsdynamik in Deutschland nach wie vor zu gering sei. Ostermann forderte eine Investitionsoffensive von der Bundesregierung: „Gezielte Investitionsanreize sind definitiv besser als eine Nullzinspolitik, die ihr Ziel verfehlt hat und uns wie auch anderen Finanzierern die Ertragsbasis entzieht.“ Erfolgsversprechende Anreize sieht der BDL-Präsident in der Anpassung der Abschreibungszeiten an die tatsächlichen, verkürzten Technologiezyklen und in der unbefristeten Wiedereinführung der degressiven AfA. Ostermann betonte: „Uns geht es dabei nicht um spezifische Vorteile für die Leasing-Branche. Die gesamte Wirtschaft braucht einen Anstieg der Investitionen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern. Die degressive AfA – davon sind wir überzeugt – kann die Investitionsdynamik nachhaltig anstoßen.“
Ausführlich ging der BDL-Präsident auf das Leitthema der Fachtagung ein. Die Kundenorientierung habe sich durch den digitalen Wandel der Wirtschaft stark verändert. Auf Kundenseite entstehen neue Geschäftsmodelle, die die Erwartungen an das Produkt Leasing verändern. Kunden wollen noch flexiblere, mit Zusatznutzen angereicherte Leasing-Modelle mit mehr Serviceangeboten zu ihrer Entlastung. Sie erwarten eine Rundum-Lösung für ihre Investitionsvorhaben statt einer Finanzierung. „Ich bin sicher, dass wir auch die Herausforderungen des digitalen Wandels mit unserer Innovationskraft und Expertise erfolgreich meistern werden“, zeigte er sich optimistisch. Eine Schlüsselrolle sprach er dabei Big Data zu: „Die neuen vernetzten Technologien und Wertschöpfungsketten liefern enorme Datenmengen. Die Leasing-Branche kann aufgrund ihrer Stärken wie Kundennähe, Markt- und Objektexpertise diese Daten zielgerichtet analysieren und daraus Serviceleistungen oder nutzungsorientierte Leasing-Modelle entwickeln. So verschaffen die Leasing-Gesellschaften ihren Kunden mit der Digitalisierung echte Mehrwerte.“
Um ihrer Rolle als Investitionsmotor und Partner des Mittelstandes nachzukommen, brauche die mittelständische Leasing-Branche eine differenziertere Regulierung, die dem Proportionalitätsprinzip Rechnung trage, und kein europäisches „One Size fits all“, das sich an den Standards von international agierenden Banken orientiere, führte er weiter aus. Hier trete aus Sicht der Leasing-Wirtschaft die deutsche Politik den Regierungsinitiativen aus Brüssel nicht entschieden genug entgegen. „Statt die vorhandenen Spielräume bei der nationalen Umsetzung auszunutzen, wird in deutscher Gründlichkeit viel zu dienstbeflissen umgesetzt – ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein.“ Letztlich gefährde dies den deutschen Mittelstand. Denn der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sei für seinen Erfolg auf die mittelständische Leasing-Wirtschaft angewiesen.
Abschließend appellierte Ostermann an die anwesenden Refinanzierungspartner: „Wir brauchen Refinanzierungsmöglichkeiten, die unsere Kundenorientierung ermöglichen. Und wir brauchen auch Konditionen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der Niedrigzinsen erhalten.“ Den Leasing-Gesellschaften riet er, ihre Finanzierungsbasis weiter auszubauen. Gerade in entspannten Refinanzierungszeiten sei es geboten, neben den klassischen Instrumenten der Kreditfinanzierung und Forfaitierung nach ergänzenden Refinanzierungsmöglichkeiten Ausschau zu halten.
Alexander Radwan, CSU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, ging in seiner Keynote auf die Finanzmarktaufsicht ein. Er beanstandete, dass die Aufseher auf europäischer Ebene Guidelines beschließen, die rechtlich nicht bindend seien, dennoch auf nationaler Ebene umgesetzt würden. Vielmehr gelte das Prinzip „comply or complain“. „Die BaFin kann erklären, dass sie die Guidelines nicht anwendet.“ Derzeit finde dies nur in einem „einstelligen niedrigen Prozentbereich“ statt. Radwan erklärt, er wolle motivierend wirken, damit dieser Prozentsatz künftig steige.
Kritisch beurteilte der ehemalige Europaabgeordnete die Rolle der EZB, die Teil der EBA sei, aber häufig Standards für internationale Banken zu Themenbereichen setze, die noch nicht abschließend diskutiert seien. „Dieses Gebaren der Zentralbank als Frontrunner ist inakzeptabel.“ Man müsse nun genau hinsehen, wie sich die europäische Aufsicht im Zusammenspiel mit der nationalen Aufsicht verhalte.
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Christina Brand (Nürnberger Leasing GmbH), Daniel Eschbach (Targo Leasing GmbH), Jens Krieghoff (Bremer Landesbank) und – als Leasing-Kunde – Karl-Heinrich Gabsch (Hako Bau Kompressoren und Baugeräte GmbH) mit Alexander Radwan über die Besonderheiten des Leasing-Geschäfts und die Herausforderungen der Aufsicht für die mittelständisch geprägte Leasing-Branche. Tenor der Runde: Auch kleine regionale Kreditinstitute seien nicht mit Leasing-Gesellschaften zu vergleichen. So könnten diese zum Beispiel auf bestehende IT-Strukturen zugreifen. Gerade die regulatorischen Anforderungen an die IT sorgten bei den mittelständischen Leasing-Gesellschaften für Kostendruck, dem stünden geringe Margen aufgrund der Niedrigzinsphase gegenüber – eine bedrohliche Mischung für viele Gesellschaften.
Einen optimistischen Ausblick auf die Entwicklung der Wirtschaft wagte der Chefanalyst der Bremer Landesbank Folker Hellmeyer. Er forderte mehr Selbstbewusstsein für Kontinentaleuropa und trat den Sorgen vor den Auswirkungen des Brexit entgegen. Europa sei gut aufgestellt, es habe unter anderem den höchsten Kapitalstock der Welt. Seinen Vortrag stellte er daher unter die Überschrift „Eurozone auf der Überholspur“.
Innovative Wege der Leasing-Refinanzierung beschritten zum Abschluss der Fachtagung Thomas Kolvenbach, geschäftsführender Gesellschafter der COMCO Leasing GmbH, und Florian Hummel, Direktor Strukturierte Finanzierungen bei der Bayerischen Landesbank.
Sie präsentierten die Entwicklung des ABCP-Programms für die COMCO Leasing bis zur Platzierung am Markt. Thomas Kolvenbach schilderte dabei anschaulich aus der Perspektive einer mittelständischen Leasing-Gesellschaft die Chancen, aber auch die Herausforderungen, die mit der Refinanzierung über ein ABCP-Programm verbunden sind.
Besonders hoben die Referenten die umfangreichen Anforderungen in der Aufbauphase hervor, die mit dem Aufsetzen einer ABCP-Struktur verbunden sind. Dem stellte Kolvenbach gegenüber, dass sich der hohe Implementierungsaufwand durch einen weitgehend automatisierten Verlauf in der Betriebsphase auszahle. Florian Hummel ergänzte die Präsentation aus der Perspektive der begleitenden Bank. „Verbriefung ist ein Thema, das viele nur mit ganz großen Unternehmen mit hunderten Millionen Emissionen in Verbindung bringen. Wir haben lange daran gearbeitet, dass dieses Produkt auch für eine mittelständische Leasing-Gesellschaft nutzbar ist.“ Und er legte Wert auf die Feststellung, dass das Projekt mit COMCO Leasing beispielhaft sei und es bereits weitere Kooperationen mit mittelständischen Gesellschaften gebe. Mit seiner Präsentation knüpfte er an einen Vortrag auf der 6. Fachtagung Leasing und Kreditwirtschaft von Dr. Paul Kunkel an, der mit seiner Initiative einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, ABCP-Programme für mittelständische Leasing-Unternehmen zu öffnen.